top of page
AutorenbildLars Reckermann

In Frankreich mit Lise

Aktualisiert: 14. Jan. 2020

Meinen ersten richtigen Urlaub, abgenabelt von Eltern und Freizeitgruppen, habe ich erst mit 17 Jahren gemacht. Ich war völlig aufgeregt, weil mein Kumpel Lise am Abreisetag seine Führerscheinprüfung hatte und wir gleich durchstarten wollten.


Der Wagen war gepackt, ich saß auf heißen Kohle und wusste spätestens ab dem Zeitpunkt, als mein Kumpel von seinem Vater gebracht wurde, dass es nicht so ganz mit der Prüfung geklappt hatte. Es war schon etwas deprimierend, auf den hinteren Sitzen nach Holland chauffiert zu werden. Dabei sollten wir vorne sitzen - nur wir. Mein Kumpel als Fahrer, ich als cooler, sonnenbebrillter Beifahrer, die Füße auf dem Amaturenbrett des grünen Opel Ascona B, den mein Kumpel schon in der Garage stehen hatte.


Stattdessen bekamen wir jetzt pausenlos Tipps, worauf wir bei der nächsten Fahrprüfung zu achten hätten. Dabei hatte ich noch nicht einmal eine einzige Fahrstunde. Mein Kumpel ist fast ein Jahr älter als ich. Jedes Überholmanöver wurde mit „Innenspiegel, Außenspiegel, Schulterblick“ angekündigt. Wir wollten wie junge Helden auf dem Campingplatz vorfahren, uns lässig aus der Karre wuchten und den Mädels selbstbewusste Blicke zuwerfen. Jetzt aber kletterten wir wie Kleinkinder von der Rückbank. Bei den Mädels hatten natürlich die Jungs eine Chance, die mobil waren. Der von uns oft genutzte Linienbus passte nicht ins Beuteschema der weiblichen Camperinnen.


Dafür weckten wir Muttergefühle bei einer Gruppe Rocker, die direkt neben uns campierten. Das lag sicherlich auch daran, dass wir im Vorfeld und in einem Anflug von Größenwahn etwa 200 Bierdosen bei Aldi eingekauft und in unser Zwei-Mann-Zelt gestopft hatten. Dank des Gerstensaftes erkauften wir uns zumindest starke Freunde – und Schutz.


Eines Abends zog ein Unwetter auf und ein heftiger Sturm erfasste den Campingplatz. Wir mussten mehrere Stunden unsere drei Zeltstangen festhalten. Vielen anderen Campingplatzbesuchern riss es aber die Zelte weg. Selbst wenn unser Zelt in Mitleidenschaft gezogen worden wäre, hätten wir ausreichend neuen Wohnraum gefunden, den alles, was durch die Luft flog, griffen sich die Rocker. Sie wollten durchaus noch zu gebrauchende Zelte gegen Bier tauschen. Da unser Zelt noch intakt war, nahmen sich die Rocker ihre vom Wind hergewehte Beute, zerschnitten sie und legten sie über ihre Motorräder. Toll fanden wir das nicht, gesagt haben wir es ihnen aber auch nie.


Eines sei zu diesem Urlaub noch erzählt. Wir wollten drei Wochen bleiben, hatten aber nach einer Woche schon kein Geld mehr. Das lag daran, dass wir uns zu fein waren, um auf die doch eher merkwürdig aussehenden Campingtoiletten zu gehen. Wann immer wir also mussten, suchten wir ein sehr feines Speiselokal auf, aßen und tranken wie römische Senatoren, bezahlten unseren Obolus und suchten mindestens einmal das doch piekfeine Restaurant-WC auf. Nach einer Woche war die ganze Kohle weg - und wir damit auch.


Lise und ich so gegen 1986/87

 

Reichen eigentlich 49 Jahre, na gut, fast 50 Lebensjahre aus, um eine Halbzeitbiografie zu schreiben? Ich denke, es hat sich eine Menge Kurioses, Schönes, Nachdenkliches und Lustiges angesammelt. Bis zu meinem 50. Geburtstag schreibe ich einige Erinnerungen hier einfach einmal nieder. Will doch keiner lesen? Ja Gott, dann lasst es. Wen es interessiert ... willkommen in meiner Welt.

44 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Die kleine Kneipe

Prüfungsangst

Σχόλια


bottom of page